Einen frostigen Empfang erlebte Jonas Borschel, Trainer in Ausbildung, als er im Rahmen des dritten Ausbildungsjahres zur Hospitation im Nordwesten der USA eintraf. Minusgrade und eine dicke Schneedecke boten den ersten Eindruck von Spokane, der Heimat der Gonzaga Bulldogs, dem Basketball-Team der Gonzaga University. Witterungsbedingungen, die im starken Kontrast zum herzlichen Empfang und der Basketballbegeisterung in der Stadt standen.
Der Oldenburger Trainer besuchte das College in einer Zeit, in der der Hype für die Bulldogs kaum noch zu steigern schien. Gonzaga hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu einem der renommiertesten Colleges im Basketball entwickelt. In diesem Jahr scheint aber der große Wurf in Reichweite. In die in wenigen Tagen beginnende March Madness, dem Finalturnier im College Basketball, geht die Gonzaga University als Nummer Eins der Setzliste im Westen.
Folgerichtig ist die Unterstützung und der Stolz schnell spürbar. Ken Wenham, seit vielen Jahren der Vermieter für den Oldenburger Trainernachwuchs während der Hospitation in den USA, ist als Absolvent der Gonzaga University glühender Anhänger seiner „Zags“. Doch auch das Straßenbild bestimmen die Bulldogs. Fahnen und „Go Zags“-Schilder finden sich an vielen Häusern und Geschäften, eine ganze Stadt versammelt sich hinter dem Basketball-Team.
Es ist die Offenheit des Programms, das Jonas Borschel von Beginn an am meisten beeindruckt: „Obwohl ich in der wichtigsten Saisonphase gekommen bin, wurden mir von Beginn an alle Türen geöffnet. Ich konnte bei allen Trainingseinheiten anwesend sein, habe versucht mit großer Eigeninitiative möglichst viel aus dieser mir gebotenen Chance mitzunehmen.“
Selbst den Code für den Locker-Room des Teams erhält Borschel von Beginn an, hat Zugang zu allen Teilen des beeindruckenden Trainingsgeländes der Bulldogs, das den Vergleich mit kaum einem Basketball-Programm in Europa scheuen muss, obwohl andere Universitäten sogar noch bessere Bedingungen zur Verfügung stehen.
Es sind aber die Mitarbeiter, die den Erfolg ausmachen und den Zusammenhalt zeigen. Sieben bis acht Student Manager, Studenten, die eine Rolle als Teambetreuer einnehmen, unterstützen die Mannschaft, kümmern sich um das Equipment oder versorgen die Spieler mit Getränken.
Hinzu kommt es große Zahl an Trainern, bei denen Ricky Fois für den Weg der Gonzaga University steht. Ricky ist als italienischer Trainer ein Beispiel für die Weltoffenheit, von der auch die Oldenburger Auszubildenden seit Jahren profitieren. Gonzaga hat sich mit dem Recruiting europäischer Talente eine Nische geschaffen, um gegen die größeren Universitäten konkurrieren zu können. Der Pole Przemek Karnowski ist aktuell der stärkste Spieler im Team, hinzu kommen Talente aus Kanada, Polen, Dänemark, Frankreich und Japan. Mit Elias Harris und Mathis Mönninghoff gehörten auch zwei deutsche Spieler zu den Absolventen der letzten Jahre.
Die Spielweise ist europäisch geprägt, das Erfolgsgeheimnis ist aber auch die individuelle Arbeit mit den Spielern. „Ricky ist für das individuelle Training der Spieler zuständig. Die konsequente Arbeit in diesem Bereich und die Verbindungen die er zwischen den Spielern und sich als Trainer knüpft, haben mich beeindruckt. Gleichzeitig habe ich für für unser Programm Bestätigung gespürt. Denn auch in der Baskets Akademie ist diese Konzentration auf die individuelle Entwicklung ein integraler Bestandteil des Konzepts“, fasst Borschel seine Eindrücke zusammen.
Die vielleicht wichtigste Persönlichkeit für den Erfolg der Gonzaga University und auch für die Verbindung nach Oldenburg trifft Borschel dann aber in Tommy Lloyd. Der Assistant Coach ist für das internationale Recruiting zuständig. Lloyd knüpfte vor vielen Jahren den Kontakt zum ehemaligen Oldenburger Nachwuchskoordinator Ralph Held. Seither darf jeder Trainer in Ausbildung der easyCredit Basketball Bundesliga bei den EWE Baskets im dritten Lehrjahr an der Gonzaga University hospitieren. Charakter und Entwicklungsfähigkeit stehen bei Lloyd über der aktuellen Stärke eines Talents, ein Weg, der Gonzaga an die Spitze geführt hat.
Bei -10 Grad zelten die Fans mittlerweile vor der Arena, um an Tickets für die Heimspiele zu kommen, 6000 Fans treiben die Bulldogs bei den Spielen nach vorne. Jonas Borschel wird vor dem Fernseher anfeuern, wenn seine Zags den ersten nationalen Titel gewinnen können.
Zuvor erhielt der Oldenburger Trainer aber noch die Gelegenheit im vielleicht größten Basketball-Programm Europas, bei Real Madrid, zu hospitieren. Eine Ehre, die deutschen Trainern nur selten vorbehalten ist. Assistant Coach Mauricio Parra nutzte seine Kontakte in die spanische Hauptstadt und ermöglichte so erstmals diese Hospitation.In Spanien angekommen, benötigte es nicht lange, um die Dimensionen von Real Madrid zu verstehen. Die Basketballer teilen sich ein Trainingsgelände mit der Fußball-Abteilung. 120 Hektar umfasst das Areal im Nordosten Madrids, 15 Prozent der Fläche stehen den Basketballern zur Verfügung. Ein Gelände auf dem alle Mannschaften bis zur U13 trainieren und auch spielen können.
Es ist Alberto Herreros, Sportdirektor Basketball bei Real Madrid und eine spanische Legende, der Jonas Borschel auf dem Trainingsgelände empfängt und damit ein Zeichen für die Wertschätzung und Offenheit setzt, mit der Real seinen Gast in den kommenden zwei Wochen einbindet. „Wenn du eine Frage hast, komm zu uns“, lautet das Motto, mit dem Borschel empfangen wird. Ein Motto, das von jedem Trainer umgesetzt wurde, wie der Oldenburger Trainer bestätigt: „Ich bin sehr dankbar über die Offenheit mit der mir begegnet wurde. Trotz des hohen Arbeitsaufwands zwischen ACB und Euroleague hat sich wirklich jeder Trainer die Zeit genommen, ausführlich mit mir zu sprechen. Damit wurden mir Einblicke gewährt, die nicht selbstverständlich sind und von denen ich in meiner Weiterentwicklung enorm profitieren werde. Real Madrid ist sicher ein Vorbild für viele Clubs.“ Selbst Pablo Laso, Headcoach der Madrilenen nahm sich Zeit, ein „absoluter Gänsehautmoment“ von dem Borschel schwärmt.
Von der U13 bis zur ersten Mannschaft besucht der Oldenburger Trainer Einheiten von jedem Team und nimmt auch hier wichtige Anregungen mit. So arbeitet ein Athletiktrainer mit allen Spielern im Nachwuchsprogramm, eine Begleitung von der U13 bis in den Herrenbereich ist mit genauer Kenntnis der einzelnen Talente gewährleistet.
„Insgesamt waren diese beiden Hospitationen ein Quantensprung in meiner Entwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass es für Clubs nicht darum gehen darf, das eigene Wissen zu schützen. Im Gegenteil erhalten die Programme auch immer wieder neue Anregungen, indem sie ihre eigenen Türen öffnen. Ich bin sehr dankbar, dass die EWE Baskets, die easyCredit BBL und der deutsche Ausbildungsfonds mir Einblicke bei diesen zwei Programmen ermöglicht haben“, fasst Borschel seine Erfahrungen zusammen, die er nun im Rahmen der Trainerausbildung der BBL auch die weiteren Auszubildenden geben wird, die ebenfalls Hospitationen absolviert haben – Wissensmultiplikation zum Wohle des deutschen Basketballs.