Maxim, ein ereignisreiches Jahr liegt hinter dir. Wie hast du dein erstes Jahr als Headcoach in der JBBL erlebt?
Bevor ich nach Oldenburg gekommen bin, hatte ich schon ein Jahr die JBBL in Braunschweig/Wolfenbüttel trainiert, wovon ich profitiert habe. Wir hatten mit dem Playoff-Einzug auch Erfolg, trotzdem war das jetzt in der Baskets Akademie mit dem Wissen aus der Trainerausbildung eine andere Situation. Die vergangene Saison war, trotz einiger Stolpersteine durch Verletzungen, im Endeffekt ein Erfolg. Natürlich tut es weh, wenn man wegen ein paar Punkten die Playoffs verpasst. In diese Situation sind wir aber nur gekommen, weil die Spieler sich hervorragend entwickelt haben und gute Leistungen gezeigt haben.
Was meinst du damit?
Die Spieler, die jetzt in die NBBL aufgestiegen sind, haben sich dort hervorragend integriert. Auch das ist ein Resultat der Arbeit im vergangenen Jahr. Wir sind zum Ende der Saison immer besser geworden, konnten in der Rückrunde der Hauptrunde starke Mannschaften wie ALBA BERLIN ins Wanken bringen. Von der Qualität der Mannschaft waren durchaus die Playoffs möglich, aber unser Hauptaugenmerk liegt auf der Spielerentwicklung. Von dieser Einstellung werden wir zweifellos auch in diesem Jahr profitieren. Unsere Mannschaft hat Erfahrungswerte und Prinzipien, auf denen wir aufbauen können und die es neuen Spielern leichter machen, sich zu integrieren. Wir können jetzt an der Entscheidungsfindung und an Feinheiten arbeiten.
Du hast von Prinzipien gesprochen. Kannst du deren Bedeutung genauer erläutern?
Die Grundfrage war, wie wir noch besser an der Spielerentwicklung arbeiten können. Wir wollten weniger mannschaftstaktische Elemente nutzen, also den Jungs nicht nur sagen, wohin sie zu laufen haben. Es geht mehr darum, wie man etwas macht, zum Beispiel die Entscheidungsfindung des Spielers zu stärken. Deshalb war es wichtig, Schlagwörter zu finden, die für eine komplette Struktur stehen können. Dies erleichtert die Kommunikation und Konzentration. Gleichzeitig öffnet dies allen Seiten die Möglichkeit, sich besser auf Korrekturen und Hilfen konzentrieren zu können. Die Prinzipien geben im Endeffekt das Gerüst vor, in dem unsere Talente die Freiheit besitzen, auch mal Fehler zu machen und daraus zu lernen. Es geht eben nicht darum, einem Spieler zu sagen, er solle den Ball zu A spielen, zu Position B laufen und danach bei C einen Block setzen. Der Spieler muss in viele Entscheidungssituationen kommen, um die individuelle Entwicklung zu fördern.
Siehst du auch Bereiche, in denen du dich selbst entwickelt hast?
Ich kann mich sehr glücklich schätzen, Vangelis Kyritsis an meiner Seite zu haben, der viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Als junger Trainer muss man auch mal geduldig sein und Kritik annehmen, die man im ersten Moment nicht hören will. Oft kommt die Selbsterkenntnis erst einen Moment später. Ein Beispiel: Vangelis hat mir sehr in Bezug auf meine Kommunikation und Wirkung gegenüber Schiedsrichtern geholfen. Ich habe aber auch im Umgang mit den Spielern gelernt, zum Beispiel: Welche Aktionen entfalten Wirkung? Womit komme ich nicht an? Außerdem muss man auch immer die eigene Arbeitsweise reflektieren. Ich bin sicher, auch noch mal deutlich akribischer in der Vorbereitung und Nachbereitung von Trainingseinheiten geworden zu sein. Vangelis, aber auch Jonas Borschel, der im vergangenen Jahr mein Assistant Coach war, haben mir viele Impulse gegeben.
Wie bewertest du deine Zeit als Assistenztrainer von Mladen Drijencic in der Beko BBL?
Ich bin stolz und dankbar, nach der kompletten Saison in der JBBL noch diese Chance bekommen zu haben. Ein wenig überrascht hat mich dann, wie ähnlich die Spielertypen doch in der Jugend und bei den Profis sind. Ich habe teilweise meine JBBL-Spieler in den Profis wiedererkannt. Angewohnheiten, Muster, aber auch die nötige Ansprache sind sehr ähnlich. Einer braucht Motivation, andere wiederum benötigen direkte und ehrliche Kommunikation oder wollen gar lieber Ruhe. Das hat mich positiv überrascht. Ich habe mich schnell aufgehoben gefühlt, und es war eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Was war dein Job als Assistant Coach?
Die Vorbereitung und Nachbereitung von Spielen. Das hat unheimlich viel Zeit in Anspruch genommen. Hier habe ich extrem viel von Ralph Held profitiert, der mir sein ganzes Wissen aus 20 Jahren Arbeit in der BBL bereitwillig geöffnet hat. Ansonsten wäre diese Arbeit in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen.
Der Sieg beim Beko BBL TOP FOUR war wohl sicher der Höhepunkt.
Den Pokalsieg konnte ich eigentlich erst im Nachklang richtig einordnen. Nach der Saison kam der Stolz, als ich gemerkt habe, was dieser Titel für die Menschen im Club und die Fans bedeutet. Auf der Saisonabschlussfeier kamen zum Beispiel viele Leute zu mir und haben mit mir über den Pokalsieg gesprochen. Mir ist dann noch einmal bewusst geworden, wie dankbar ich Hermann Schüller und Mladen Drijencic für diese Chance im Profibereich sein muss.
Wie hast du die Playoffs erlebt?
Als Trainer sind die Playoffs vielleicht sogar intensiver, weil da mehr Zeit zwischen den Spielen ist, man viel mehr im Detail arbeitet und immer neue Lösungen braucht, während man beim Pokal zwischen Halbfinale und Finale kaum noch Möglichkeiten hat. Besonders in Erinnerung bleiben mir vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen mit den Spielern und ihren Familien, aber auch die die vor Spielen vorbereiteten Szenen, die dann in den Partien auch so eingetroffen sind.
Warum hast du dich entschieden, wieder in die JBBL zu wechseln?
Im Profibereich ist die Aufmerksamkeit natürlich höher. Gleichzeitig ist dort die Fokussierung aufs reine Ergebnis deutlich ausgeprägter, und oft wird es von sehr vielen Unwägbarkeiten beeinflusst. Am Ende hat Mladen dann zu mir gesagt, dass ich bei der Entscheidung auf mein Herz hören soll. Ich bin froh, dass wir hier in Oldenburg die Möglichkeit haben, Trainer in unterschiedlichen Profilen auszubilden. In der JBBL und der Jugendarbeit im Allgemeinen gibt es einen deutlich langfristigeren Bewertungszeitraum. Ob meine Arbeit im letzten Jahr gut war, wird man erst dann sehen, wenn diese Talente es irgendwann in die ProB oder noch höher schaffen. Für mich ist diese Perspektive momentan deutlich reizvoller.
Was bedeutet die täglich Arbeit mit jungen Spielern für dich?
Ich muss den Hut ziehen vor der Arbeitseinstellung und dem Ehrgeiz meiner Jungs. Dieses Feuer für den Sport ist unheimlich beeindruckend und gibt mir als Coach unheimlich viel. Ich hatte das Gefühl, dass wir im vergangenen Jahr den ersten Schritt gemacht haben und wir in diesem Jahr gemeinsam den nächsten Schritt machen sollten. Deshalb habe ich mich für die Arbeit in der Baskets Akademie Weser-Ems entschieden - aber nicht gegen das BBL-Team.
Auffällig im vergangenen Jahr waren die Emotionalität und der besondere Zusammenhalt deines Teams. Wie förderst du das?
Das beginnt bei der Auswahl der Spieler, die diese Einstellung mitbringen müssen. Dazu muss ich es aber als Coach auch vorleben. Ich versuche meine Mannschaft dazu zu erziehen, dass sie für den Teamgeist und die Arbeitseinstellung selbst verantwortlich ist und ich nicht als harter Hund an der Seitenlinie stehen muss. Wenn sich der Teamgeist aus der Mannschaft heraus entwickelt, hat es deutlich mehr Energie, als wenn ich immer wieder anschieben muss. Meine Spieler besprechen sich zum Beispiel vor jedem Training alleine, setzen sich für jedes Training Ziele. Nach den Einheiten hat die Mannschaft jetzt noch eine Besprechung eingeführt, in der die Arbeit und Ziele reflektiert werden. Dadurch kann ich als Trainer viel mehr in Details arbeiten.
Wie findest du die Balance zwischen Emotionalität, Sachlichkeit, Nähe und Distanz zu den Spielern?
Ich glaube es geht darum, ein gutes Vorbild zu sein. Wenn ich selber gut vorbereitet bin, wenn ich die richtigen Antworten habe, dann kommt der Respekt automatisch. Gleichzeitig ist Respekt immer zweiseitig. Jeder Spieler hat bei mir Kredit. Man kann diesen Kredit nicht mit einem Fehler verspielen, und das wissen meine Jungs auch. Ich mache den Spielern aber auch ganz deutlich, dass sie nicht für mich arbeiten und trainieren, sondern für ihren Mitspieler und die eigene Zukunft. Emotionalität empfinde ich als wichtig. Wenn man sich die EM angeschaut und darauf geachtet hat, wie sich einige Teams immer wieder anfeuern und pushen, dann bestätigt mich das. In meiner Zeit in Gonzaga gab es Spieler, die praktisch nie gespielt haben, aber von der Bank eine solche Energie gebracht haben, dass sie unverzichtbar waren. Natürlich muss ich als Trainer das kontrollieren und in die richtigen Bahnen lenken. Spielt sich meine Mannschaft in einen Rausch, kann ich mal mitgenommen werden. Es gehört dann auch dazu, um als Mensch und Trainer authentisch zu sein. Dann wird man auf ehrliche Weise respektiert. Zusätzlich funktioniert Respekt nicht mit Angst, sondern mit Augenhöhe, natürlich treffe ich aber trotzdem die Entscheidungen.
Du hast ein Team zusammen, das bereits über Erfahrung in der JBBL verfügt. Wie siehst du die Struktur und Qualität in deiner Mannschaft? Wohin führt der Weg der Mannschaft?
Wir haben sechs Spieler, die bereits im letzten Jahr Einsatzzeit bekommen haben, fünf davon regelmäßig, dazu haben viele U14-Spieler im letzten Jahr schon mit uns trainiert. Im Prinzip ist der Kern dieses Teams unverändert, dazu kommen punktuell neue Spieler. Der große Trainingskader im letzten Jahr führt dazu, dass der große Bruch ausbleibt. Außerdem hat mein Kader die Aufgaben über den Sommer hervorragend bearbeitet. Man sieht es körperlich, aber auch mental oder in der Art wie sie auf ihren Körper aufpassen. Die älteren Spieler im Kader leben vor, was es heißt, ein Bundesligaspieler zu sein.
Die JBBL ist der Einstieg in die Baskets Akademie. Kannst du was zum Auswahlprozess sagen?
Die Situation in diesem Jahr war hervorragend, die Zahl der Interessenten höher als jemals zuvor. Das liegt auch daran, dass uns immer mehr Zuschauer in der Haarenuferhalle sehen. Im Auswahlprozess geht es vielleicht weniger darum, einen Spieler mit wenigen Fehlern oder einem gleichbleibend soliden Niveau zu finden, sondern denjenigen, der eine Sache besonders gut kann. Fehlende Aspekte kann man in den zwei Jahren JBBL ausgleichen. Wir hatten natürlich schon zehn, zwölf Spieler aus dem letzten Kader auf dem Zettel, die sich trotzdem beweisen müssen. Dazu kamen noch 40 weitere Jungs, aus der U14, aus der zweiten Mannschaft oder aus anderen Vereinen, die man teilweise schon kennt, aber teilweise auch nicht. Wir schauen dann, wer etwas Besonderes hat. Das kann Schnelligkeit sein, koordinative Fähigkeiten, die laterale Beweglichkeit, mit der man in der Verteidigung Vorteile hat. Natürlich ist auch die Körpergröße der Spieler ein Faktor. Dann schauen wir auf Spielübersicht und Fähigkeiten wie Dribbling oder Wurf. Im nächsten Schritt geht es darum, die richtige Balance im Team zu haben, also Akteure für alle Positionen zu finden und eine gute Altersstruktur, die auch eine Basis für das nächste Jahr legt.
Wie weit seid ihr kurz vor Saisonbeginn?
Insgesamt haben wir jetzt 21 Spieler im Kader, die alle auf einem Niveau sind, das in kurzer Zeit Einsätze in der JBBL erlaubt und die alle eine Perspektive in Richtung NBBL haben. Somit wird für ein sehr hohes Niveau im Training gesorgt und somit die Entwicklung der Spieler enorm gefördert. Wir haben fünf Spieler des Jahrgangs 2000 in der Niedersachsen-Auswahl, sechs aus dem Jahrgang 2001. Dazu haben wir einen Nationalspieler sowie ein, zwei weitere Jungs, die daran kratzen. Außerdem haben wir noch Quereinsteiger mit über zwei Metern Größe, die alle Zeit haben, um sich hier zu entwickeln. Im Endeffekt schaut man im Auswahlprozess mit möglichst vielen Trainern genau hin, um keinen besonderen Spieler zu übersehen. Wir behalten aber auch die Teilnehmer im Auge, die es nicht direkt in unser Team schaffen. Die hohe Zahl an Anmeldungen war eine Bestätigung für uns. Die Jugendlichen wissen, dass man sich bei uns im Programm gut entwickeln kann.
Letzte Frage: Wie beschreibst du die Zusammenarbeit in eurem Trainerteam?
Über Vangelis hatte ich schon gesprochen, sein Blick von außen ist unbezahlbar. Er kennt viele der Spieler schon aus der U14 und eröffnet neue Perspektiven, die im Trainingsablauf sonst vielleicht untergehen würden. Dafür bin ich Vangelis sehr dankbar und ich empfinde es auch als Auszeichnung. Diese Situation mit einem Mentor ist einzigartig. Allgemein gibt es in der Baskets Akademie Weser-Ems eine sehr enge Verzahnung zwischen allen Trainern von der JBBL bis zum ProB-Team. Alle Trainer arbeiten an der Entwicklung mit und unterstützen einander gegenseitig. Damit haben wir hervorragende Bedingungen für die Entwicklung der Mannschaften geschaffen, aber auch der Trainer.
Im letzten Jahr war Jonas Borschel an meiner Seite, der auch schon einiges an Erfahrung mitgebracht hat. Er hat sich sehr gut in dieses Team eingefügt. In diesem Jahr geht Jonas als Assistent mit in die NBBL und bleibt somit auch Ansprechpartner für alle Spieler, die in die NBBL gewechselt sind. Das macht den Übergang für die Talente also einfacher. Andre Galler hat in diesem Jahr mit der Trainerausbildung begonnen und ist mein neuer Co-Trainer. Er hat die NBBL und 2. Regionalliga durchlaufen, ist mit der ProB Meister geworden. Das heißt, dass Andre nicht neu in unserem Programm ist, sondern nur eine neue Funktion hat. Sein Werdegang ist natürlich auch für unsere U16-Spieler ein Vorbild.
Die Fragen stellte Christian Ruhe, EWE Baskets Oldenburg
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