NEWS

"Das Talent ist da": Interview mit Seth Hinrichs

07.11.2025

Interview: Torben Rosenbohm / Foto: Ulf Duda

Seth Hinrichs wechselte im Sommer 2024 zu den EWE Baskets Oldenburg. Der 32-jährige gebürtige US-Amerikaner mit deutschem Pass ist der einzige Leistungsträger, der auch 2025/2026 bei den Niedersachsen unter Vertrag steht. Im Interview spricht er über die bisherige Saison, die besonderen Herausforderungen und seine Rolle im Team.

Seth, du bist der einzige Spieler aus dem festen Kader der Vorsaison, der auch in der aktuellen Spielzeit noch für die EWE Baskets Oldenburg aufläuft. Wie ergeht es dir mit all diesen neuen Gesichtern um dich herum?

Für mich persönlich war das zunächst einmal eine eher komfortable Situation, da ich nach der Sommerpause wusste, was mich an diesem Standort erwartet. Man kommt zurück und kennt die Stadt und die Organisation. Das macht das zweite Jahr deutlich einfacher. Und es gibt ja doch einige weitere vertraute Gesichter, beispielsweise Joel oder Jon’il und auch Franjo und Matias. Aber klar, es sind viele neue Spieler und Trainer, da muss man erst einmal ihre Spielweise kennenlernen und sich damit vertraut machen. Du siehst also: Es hat zwei Seiten. Gefreut habe ich mich, als James noch dazukam, den ich aus einer gemeinsamen Saison in Ludwigsburg kenne und mit dem ich immer bestens zurechtgekommen bin.

Der Saisonstart verlief aus unserer Sicht – wie sollen wir es nennen – schwierig. Wo erkennst du momentan die größten Probleme im Spiel?

Es ist ein Auf und Ab. Wir haben neulich zwei Spiele am Stück gewonnen, leider kam dann aber ein Rückschritt in Rostock. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass wir ausreichend Talent in dieser Mannschaft haben. Wir müssen aber in jedem einzelnen Spiel zusammenbleiben und in dieselbe Richtung gehen. Das ist nicht immer einfach, und es gibt Rückschläge. Wir brauchen Geduld bei diesem Prozess, müssen vorausschauen und natürlich auch Spiele gewinnen.

Wie zufrieden bist du mit deiner Rolle und deinem Spiel?

Auch ich muss geduldig mit mir selbst sein. Und selbstkritisch, denn mein Spiel ist noch nicht auf dem Level, auf dem ich sein möchte. Es geht darum, den nächsten Schritt zu machen, auch im Vergleich zur Vorsaison. Und als Co-Kapitän an der Seite von Chris verstehe ich mich schon als eine Art „Vocal leader“, diese Rolle gefällt mir. Ich möchte Training für Training, Spiel für Spiel vorangehen. Mein Wert für das Team soll darin liegen, Spiele zu gewinnen – und dabei ist es mir vollkommen egal, ob ich null oder 20 Punkte erziele. Beim Gewinnen gestaltet es sich aktuell schwierig für uns, aber es geht nur mit harter Arbeit und nur zusammen.

Niederlagen verändern vieles. Da besteht die Gefahr, dass negative Gedanken Überhand nehmen …

Es ist doch so: Wenn du gewinnst, sieht alles toll aus. Oder es fühlt sich zumindest toll an. Aber wenn du verlierst, vielleicht sogar mehrmals in Serie, dann ist das auch eine Prüfung für den Charakter einer Mannschaft. Wie sieht die Antwort darauf aus? Wie kommen alle zum nächsten Training? Es kommt dann sehr darauf an, sich zu fokussieren und konstant an sich weiterzuarbeiten und Präsenz zu zeigen. Das ist eine echte Herausforderung.

Zuletzt hast du während der Spiele oder auch hinterher deine Teamkollegen zusammengerufen und klare Ansprachen gehalten. Spürst du diese Momente, in denen es aus deiner Sicht so weit ist, in dieser Form einzugreifen?

Ja, absolut! Es gibt diese Augenblicke, in denen ich merke, dass es jetzt einiger Worte bedarf. Das können einerseits natürlich auch erfolgreiche Spielzüge sein, aber eben vor allem solche, in denen wir uns nicht gut angestellt haben. Ich möchte dann nur, dass wir uns wieder zusammenfinden und entsprechend die nächste Sequenz angehen. Das ist alles sehr wichtig, die ganze Kommunikation, die Huddles, all das. Wir müssen alle auf derselben Seite stehen – bei den Niederlagen gab es Momente, in denen wir zwar nicht unbedingt gegeneinander gearbeitet haben, aber eben auch nicht ausreichend miteinander. Also: Es geht in diesen Momenten darum, die Einheit zu stärken und es zu ermöglichen, dass alle ihr volles Leistungsvermögen abrufen.

Du arbeitest zum ersten Mal in deiner Karriere mit Headcoach Predrag Krunic zusammen. Wie würdest du seine Arbeitsweise und Kommunikation beschreiben?

Predrag ist sehr gut daran, mit allen zu kommunizieren. Das gilt auch und gerade für die individuellen Gespräche; ich glaube, das ist eine seiner größten Stärken. Wir reden jeden Tag, und ich glaube, das macht er auch mit allen anderen. Ein kurzes Gespräch vor dem Training, nach den Spielen, das ist wirklich großartig. Er bringt sehr viel Energie und Leidenschaft mit. Ich kannte ihn natürlich ein wenig, auch aus den Spielen gegen ihn. Und hinzu kommt: Ich kenne sehr viele Spieler, die es geliebt haben, mit ihm zu arbeiten, und ich kann sie nun sehr gut verstehen.

Du hast vorhin gesagt, dass du dich gefreut hast, in James Woodard einen alten Weggefährten an deiner Seite zu haben. Am Samstag in Ludwigsburg triffst du nun unter anderem auf Jonas Wohlfarth-Bottermann, mit dem du zwei Saisons lang in einem Team gespielt hast. Machen solche Begegnungen diese Spiele noch spezieller?

(lacht) Ich werde ja von Woche zu Woche immer älter und spiele nun schon sehr lange in dieser Liga, daher treffe ich im Grunde an jedem Wochenende auf Jungs, die ich gut kenne. Und das macht natürlich Spaß! Es ist toll, so viele Kontakte aufgebaut zu haben. Über WoBo beispielsweise kann ich kein einziges schlechtes Wort verlieren, er ist im Grunde eine Art ultimativer Teamkollege. Er ist ähnlich gestrickt wie ich: Es geht ihm ums Gewinnen mit dem Team. Er kann lediglich zwei Punkte machen und ist am Ende absolut glücklich, solange seine Mannschaft gewonnen hat. Wir haben uns in den zwei Jahren in Hamburg sehr gut verstanden, in einer Saison war ja auch noch James mit an Bord. Ich freue mich auf das Wiedersehen, da treffen zwei Veteranen aufeinander. (lacht)

Gewöhnlich sprechen wir ja immer nur über das jeweils nächste Spiel, aber nach der Partie in Ludwigsburg rückt das Pokalspiel in Vechta näher. Was denkst du über diesen Wettbewerb, in dem man mit vergleichsweise wenigen Siegen einen Titel holen kann?

Für mich ist es definitiv ein Ziel, den BBL Pokal zu gewinnen. Und wir haben eine reelle Chance dazu. Wir haben jetzt zwei Spiele gewonnen, und im Viertelfinale kommt es nun zu einem Derby, was das Ganze noch etwas spezieller macht. Wir sind nur einen Sieg vom TOP FOUR entfernt, die Motivation ist natürlich hoch. Für mich ist es das erste Mal, das ich im Viertelfinale stehe, seit ich in Ulm gespielt habe. 2020 hatten wir uns sogar für das Halbfinale qualifiziert und dann zu Hause gegen Oldenburg verloren – ausgerechnet. (lacht)

Warum dürfen die Oldenburger Fans, die zuletzt ein wenig ungeduldig geworden sind, auf eine Besserung der Situation hoffen?

Wie eingangs erwähnt: Wir haben das notwendige Talent! Leider ist es ab und an so, dass nicht alles auf Anhieb zusammenpasst oder besser: „klick“ macht. Das ist nicht befriedigend, aber ich war in solchen Situation schon häufiger, wenn der Saisonstart nicht nach Wunsch verlief. Gerade zu Hause ist das alles sehr ärgerlich, denn ich weiß ja aus der letzten Saison, was hier in der Arena los sein kann. Und in den schwierigen Spielen haben uns die Fans in diesem Jahr noch zusätzliche Motivation verschafft. Auch, wenn sie jetzt etwas ungeduldig werden, benötigen wir am Ende eben doch: Geduld. Noch einmal: Das Talent ist da.

Wie würdest du den Saisonstart mit Blick auf die ganze Liga bewerten? Die Tabelle bietet ja doch den einen oder anderen unerwarteten Eindruck – und das an beiden Enden …

Seit ich in der BBL spiele, ist diese Liga immer enger und ausgeglichener geworden. Die Lücke zwischen oben und unten wird zunehmend kleiner. Und das macht den Wettbewerb zu einer immer schwierigeren Herausforderung. Schau dir die letzte Saison an – da hatten die Mannschaften auf Rang vier und zwölf zwei Siege Abstand, und es gab am Ende mehrere punktgleiche Teams, oder? Ich erinnere mich, dass außer uns noch drei andere Clubs eine ausgeglichene Bilanz hatten …

Richtig, die vier Mannschaften auf den Plätzen vier bis sieben hatten dieselbe Bilanz, vier weitere, darunter Oldenburg, lagen beim Kampf um die Play-Ins gleichauf.

Das ist schon verrückt, aber andererseits natürlich auch toll, dass man nicht weiß, was in jedem einzelnen Spiel passiert. Es gibt momentan Mannschaften, die unten stehen und mit denen dort keiner gerechnet hat – und jene wie Trier, die hier nach vier Spieltagen unbesiegt bei uns auftauchten. Eine solche Ausgeglichenheit hat natürlich nicht nur Vorteile, denn leider landet man dann bei solchen Geschichten gelegentlich auch mal auf der falschen Seite des Ganzen …

Zu guter Letzt noch eine Frage zu der Suche nach deinen familiären Wurzeln. Deine Vorfahren stammen aus der Region, du hast inzwischen einen deutschen Pass. Bist du bei den Recherchen, über die wir schon einmal gesprochen haben, weitergekommen?

Das ist so eine Sache. (lacht) In der Saison ist es wirklich schwierig, sich um so etwas zu kümmern. Manchmal ist man einfach froh, wenn man eine Runde schlafen und sich von den Anstrengungen erholen kann. Aber meine Mutter war hier, und wir sind ins Auswanderermuseum nach Bremerhaven gefahren. Da haben wir eine Menge gefunden – aber eher auf der Seite meiner Frau. Ich bleibe dran! Dieses Jahr kommt meine Mutter noch einmal, und vielleicht finden wir dann die Zeit, uns wieder etwas genauer in Bagband und Hesel umzuschauen.